Predigt von Bischof Dr. Stephan Ackermann zum Domweihfest 2025

Offb 21,1-5a | 1 Petr 2,4-9 | Lk 19,1-10 (Auswahltexte Jahrgedächtnis Kirchweihe)


Am Ostermontag hatte ich die schöne Gelegenheit, in Walporzheim, einem Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler, die Josefskapelle des Dorfes wieder einzuweihen. Vor Jahren hatte man begonnen, die Kapelle innen und außen zu renovieren. Die Arbeiten waren Anfang Juli 2021 abgeschlossen, 14 Tage, bevor die verheerende Flut das Ahrtal traf und alle Mühen auch der Renovierung dieser Kapelle zunichte machte. Nun, knapp vier Jahre später, konnte die Wiedereröffnung der Kapelle gefeiert werden. Und es ist so, dass die Kapelle sich schöner präsentiert als im Jahr 2021. Obwohl uns kurz vor dem Gottesdienst die Nachricht vom Tod von Papst Franziskus erreichte, war die Freude der Mitfeiernden über das gelungene Werk greifbar und darüber, dass ihnen der Raum nun wiedergegeben ist.

Wenige Wochen zuvor musste, nur drei Kilometer entfernt, Weihbischof Brahm den Ritus zur Profanierung der St. Piuskirche vollziehen. Auch diese Kirche wurde in verheerender Weise von der Flut getroffen: Eine große, moderne, erst 56 Jahre alte Pfarrkirche. Deren Wiederherstellung hätte aber die Verantwortlichen überfordert. Darüber hinaus gibt es keine Perspektive zur langfristigen Nutzung dieser Kirche, da zwei andere große Kirchen in fußläufiger Entfernung liegen. Verständlich aber, dass die Stimmung dort anders als in Walporzheim war: Trauer, Enttäuschung und auch Zorn.

„Abschied hier – Neuanfang da“ … Diese Situation wird uns in unserem Bistum in den kommenden Jahren häufiger begegnen: Viele Kirchengemeinden stehen vor der Frage: Welche Kirchengebäude können wir erhalten und weiter nutzen und welche müssen wir außer Dienst nehmen? Ist die Entscheidung getroffen, kann es sogar sein, dass in bestimmte Kirchen mehr als bisher investiert wird und sie in einen besseren Zustand versetzt werden können als bisher.

Das Ganze ist allerdings ein hoch anspruchsvoller Prozess, bei dem es gilt, eine Vielzahl von Aspekten abzuwägen: pastorale, baulich-architektonische, wirtschaftlich-finanzielle, denkmalpflegerische … Diese Prozesse sind nicht nur deshalb anspruchsvoll, weil viele Aspekte zu bedenken sind, sondern weil ein solcher Prozess auch mit vielen Emotionen verbunden ist. Kirchengebäude sind eben keine einfachen Zweckbauten, die man für eine bestimmte Zeit errichtet und dann wieder abschlägt. Mit vielen Kirchen verbinden sich Erinnerungen an wichtige Ereignisse im eigenen Leben: Die großen Feste des Kirchenjahres, Feiern an wichtigen Lebenspunkten wie Hochzeit, Taufe, Erstkommunion und Firmung …, Feiern der Gemeinde und vieles andere mehr.

Im Unterschied zu früheren Generationen, denen solche Gebäude oft durch Krieg und Naturkatastrophen entrissen wurden, stehen wir seit Jahrzehnten in einer Phase von Frieden und Wohlstand. Gebäude werden uns nicht durch äußere Gewalteinwirkung genommen, sondern durch die Veränderungen in der Landschaft des Glaubens und der Kirchenzugehörigkeit. Wir müssen selbst entscheiden, welche Gebäude bleiben und gesichert und welche aufgegeben werden. Eine solche Situation hat es in den vergangenen Jahrhunderten wohl noch nie gegeben. Dafür dürfen wir dankbar sein! Zugleich stecken darin aber auch besondere Herausforderungen: Denn es gibt niemanden von außen, dem man Vorwürfe machen könnte für die Zerstörung einer Kirche. Die Entscheidungen fallen im Innenraum der Kirche selbst.

Es ist hier heute nicht der Ort, den Prozess und die Fragen, denen sich viele Verantwortliche in den Gremien unserer Gemeinden ausgesetzt sehen, näher zu beschreiben.

Gültig bleibt bei all dem das, was uns die biblischen Lesungen am Jahrestag einer Kirchweihe mitgeben. Die Botschaft der biblischen Texte gilt für alle Kirchengebäude, ob sie nun in einem guten Zustand und belebt sind oder ob sie eher als stumme Zeugen der Vergangenheit in unseren Gemeinden stehen. Jedes Kirchengebäude ist ein markantes Zeichen dafür, dass Gott mit uns Menschen Begegnung feiern will. Wir haben es im Evangelium gehört: Jesus ruft den Zollpächter Zachäus von seinem Baum herunter, weil er ihm begegnen, weil er mit ihm Mahl halten will, Gemeinschaft haben möchte. Die Kirchen in unseren Orten sind gewissermaßen der steingewordene Ausruf: „Kommt herunter von euren Bäumen! Kommt aus euren geschlossenen Verhältnissen, euren „Blasen“! Lasst euch einladen in die Gemeinschaft mit Gott und untereinander!“

Die Kirchen sind auch ein Symbol für das, was uns der Seher der Apokalypse beschreibt, als er den neuen Himmel und die neue Erde sieht und die heilige Stadt, das neue Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel herabkommt: Es ist die Vision der Wohnung Gottes unter den Menschen und damit auch die Vision des himmlischen Gemeinwesens, das sich nicht erst am Ende der Geschichte realisieren, sondern schon mitten unter uns beginnen will: Wir sollen mitbauen an der „Stadt Gottes“, also an einem neuen Miteinander unter uns Menschen; wo es keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal gibt und alle Tränen von den Augen abgewischt werden. Unsere Kirchengebäude halten die Hoffnung offen darauf, dass die Welt nicht so bleiben muss, wie sie ist, weil es von der Botschaft Christi her eine positive Vision gibt.

Und schließlich erinnert uns die Lesung aus 1 Petr daran, dass alle sakralen Bauten unseres Glaubens dazu da sind, dass aus der Gemeinschaft zwischen Gott und den Gläubigen der lebendige Tempel Gottes erwächst. Nicht die toten Steine sind ja das Entscheidende, sondern die lebendigen Steine, wie der 1 Petr sagt. Unsere Kirchengebäude sind „nur“ so etwas wie ein Gerüst, eine Hülle, ein Kokon dafür, dass sich in ihrem Inneren der lebendige Tempel Gottes, d. h. die Gemeinschaft der Christinnen und Christen aufbauen kann – immer wieder neu.

Liebe Schwestern und Brüder, man könnte denken, im Dom ist es leicht, über dieses Thema zu reden. Denn der Dom in seiner besonderen Stellung ist von den Fragen, mit denen die Kirchengemeinden zu kämpfen haben, nicht betroffen. Ich meine aber, dass es zu unserer Verantwortung hier in der Mutterkirche unseres Bistums gehört, am Weihefest dieses heiligen Hauses, für das wir dankbar sein dürfen angesichts seiner langen Geschichte und seiner reichen Ausstattung, auch an die diejenigen zu denken, die sich in den vielen Gotteshäusern auf der Fläche unseres Bistums versammeln. Der Dom ist nämlich keine Insel. Er lebt auch vom Leben des Glaubens in der Fläche des Bistums.
Wir wollen uns am Domweihfest die Anliegen all derjenigen zu eigen machen, die sich um eine gute Zukunft der Gotteshäuser in unserem Bistum bemühen, damit diese heute und morgen Orte der Gottesbegegnung, der Zukunftshoffnung und der erfahrbaren kirchlichen Gemeinschaft sein können. Amen.